Szenenbild Madame Butterfly mit Sonnenuntergang

Heutige Mitmenschen – Egoismus pur

Aus Vorarlberg:

Am 30. Juli waren wir (Raimunds Geschwister, Tante, Pfleger, Besucher, zwei Mitpatienten, Rot-Kreuz-Mitarbeiter) zu „Madame Butterfly“ bei den Bregenzer Festspielen eingeladen. Raimunds Bruder hatte das wie früher organisiert. Leider ist Raimund im Mai verstorben, aber das Festspielereignis fand trotzdem statt.

 

Szenenbild Madame Butterfly mit Sonnenuntergang

„Madame Butterfly“ bei den Bregenzer Festspielen

Wir trafen uns alle im Wirtshaus am See und genossen ein umfangreiches Menü. Raimunds Schwester, die jetzt in Flensburg lebt, saß neben mir und erzählte, dass Raimund die Geschwister zusammengebracht hatte. Denn deren Mutter verstarb schon sehr jung, weshalb der Vater nochmal heiratete und weitere Kinder auf die Welt kamen. Erst durch Raimunds Unfall wurden mit gemeinsamen Treffen die Halbgeschwister zusammengeführt. Dann erfuhr ich, dass Raimund jetzt dabei ist und zeigte mir ein kleines Glasfläschchen, das mit seiner Asche gefüllt war.

Die Oper „Madame Butterfly“ war toll – sogar das Wetter spielte mit. Aber für mich war es eine Katastrophe. Nein, nicht das Stück, sondern das Verhalten des Publikums! 6659 Zuschauer*innen verließen nach dem Vorstellungsende ihre Sitzplätze, um von der Zuschauertribüne weg zu gehen.

Bei den Treppen musste ich mich aufgrund meines fehlenden Gleichgewichts am Geländer festhalten. An einer Stelle lehnte sich ein Paar mit dem Rücken an diesem Geländer an und als ich diese Stelle passieren wollte, blieben sie einfach stehen. Dadurch musste ich mich an deren Unterarmen abstützen, um vorbei zu kommen. Sie hatten sich keinen Millimeter zur Seite bewegt, sondern nur böse geschaut, als ich mich an ihnen festhalten musste.

Als ich danach Richtung geparktem Smart-Auto weiterging, wurde ich dutzende Male von anderen Zuschauern körperlich angerempelt. Für meine Stabilität und Standhaftigkeit war das ein Horror. Gott sei Dank konnte ich einem Sturz entgehen, aber für mich und meinem Körper war das ein Megastress!

Von den unzähligen „Remplern“ hat sich nur ein einziger entschuldigt. Dieses mürrische Verhalten hatte mich wirklich erschreckt. Denn eigentlich hatte ich gehofft, dass Corona unser Verhalten zueinander verbessert hätte.

Aber genau das Gegenteil ist der Fall: Mitmenschlichkeit sowie Achtsamkeit sind total verloren gegangen. Jeder ist sich jetzt selbst der Nächste – Egoismus pur! Schade…

Barbara Ghesla, Fußach